Gute Schulinformatik bleibt eine Herausforderung – Open Source Software ist Teil der Lösung

Medienmitteilung
25.11.2020
Bern

 

Gemäss einem neuen Untersuchungsbericht weist das Schulinformatik-Projekt base4kids 2 der Stadt Bern gravierende Mängel bei der Umsetzung auf. Dabei ist unter anderem der Einsatz von Open Source Software in die Kritik geraten. Der Verein CH Open stellt einige Fakten klar und weist darauf hin, dass Schulinformatik generell eine grosse Herausforderung darstellt und auch mit Produkten von Microsoft oder Google keineswegs problemfrei ist.

Informatik muss funktionieren, egal ob Lösungen mit Open Source Software oder proprietärer Software implementiert werden. Es ist sehr ärgerlich, dass das Schulinformatik-Projekt base4kids 2 in den Stadtberner Schulen derartig viele Probleme bereitet. Der Verein CH Open ist enttäuscht darüber, dass das anfängliche Open Source Pionierprojekt in so eine Schieflage geraten ist. Insbesondere ist es bedauerlich, dass viele technische Probleme immer noch nicht gelöst sind und deshalb die Lehrpersonen mit der neuen Schulinformatik verständlicherweise frustriert sind und nicht gut damit arbeiten können.

Dennoch will der Verein CH Open einige Klarstellungen vornehmen. Denn es wäre falsch, im Fall von IT-Missmanagement automatisch die Open Source Software zum Sündenbock zu machen:

  1. Der gestern veröffentlichte Bericht empfiehlt nicht, das Projekt base4kids 2 abzubrechen. Die Analyse zeigt, dass es Sinn macht, gewisse Punkte wie bspw. die Projektführung zu erneuern und die Leistung des Lieferanten Abraxas zu hinterfragen.
  2. Technischen Ärger verursachten die iPads durch ihre kleine Bauweise und die externe Tastatur. Ausserdem führten gemäss Bericht WLAN- und Drucker-Probleme zu viel Unzufriedenheit. Das alles sind ernstzunehmende Probleme, die aber in keiner Weise etwas mit Open Source Software zu tun hatten, sondern im Gegenteil durch die proprietäre Software von Apple verursacht wurden.
  3. Das Open Source Programm Collabora Office auf iOS ist heute noch nicht für den Einsatz im Unterricht ausgereift. Das Problem war, dass erst während der Projektumsetzung entschieden wurde, eine vollständig neue Portierung von LibreOffice auf Apple’s iOS zu realisieren. Aktuell wird die Open Source Software durch die Community weiterentwickelt, sodass sie für alle gut anwendbar ist.
  4. In vielen weiteren Bereichen funktionieren die eingesetzten Open Source Lösungen wie Nextcloud, Mattermost, Kolab, Mahara oder Moodle nach wie vor sehr gut.
  5. Der Berner Stadtrat hat an der Sitzung vom 9. März 2017 entschieden, dass Open Source Software für die Schulinformatik priorisiert werden soll, falls sie gleichwertig zu proprietärer Software sei.[1] Es lag in der alleinigen Verantwortung des Gemeinderats und des Schulamts, diese Vorgabe bei der öffentlichen Ausschreibung und der Projektumsetzung sachdienlich umzusetzen. Dem Stadtrat nachträglich vorzuwerfen, er habe Open Source gefordert und deshalb sei das Projekt schiefgelaufen, zeugt von wenig Fachwissen wie Informatikprojekte operativ erfolgreich durchgeführt werden.

Wer nun behauptet, dass es keine Probleme mit Produkten von Microsoft oder Google gäbe, liegt falsch. Wie an der educa.ch Veranstaltung «Data Governance: Ein Balance-Akt zwischen Rechtssicherheit und praktischer Anwendung» von Bildungsinformatik-Fachleuten vergangenen Mittwoch aufgezeigt, bestehen zur Zeit erhebliche datenschutzrechtliche Unsicherheiten beim Einsatz von Google G Suite oder Microsoft Office 365 in der Schulinformatik. Durch das Schrems II Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist der «EU/US Privacy Shield» aufgehoben, weil amerikanische Firmen ihrer Regierung Zugriff auf Daten geben müssen, und zwar selbst dann, wenn sie in Schweizer Rechenzentren gespeichert sind. Die Verwendung dieser Produkte findet deshalb heute zumindest in einem rechtlichen Graubereich statt, wenn sie nicht gänzlich als illegal zu bezeichnen ist. Hingegen ist die heutige Lösung der Stadt Bern, die Daten im eigenen Rechenzentrum zu speichern, diesbezüglich unproblematisch.

Eine gut funktionierende und datenschutzkonforme Schulinformatik stellt bis heute eine Herausforderung dar. Der Verein CH Open ist deshalb der Ansicht, dass die ideale Schulinformatik-Lösung auf einer benutzerfreundlichen, in der Schweiz gehosteten und auf Open Source basierenden Cloud-Plattform basieren muss. Bereits heute betreibt der Verein den Open Education Server (www.openeduserver.ch), ein Proof-of-Concept für eine solche Plattform. Dieser soll künftig weiter ausgebaut und professionalisiert werden, um Schulen eine zuverlässige und sichere Informatik-Lösung zu bieten.

 

Kontaktperson: Dr. Matthias Stürmer, Vizepräsident CH Open, matthias.stuermer@ch-open.ch, +41 76 368 81 65

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[1]https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=e13dc8706a6645698a1509ddbadc1bc6

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